PEG-Asparaginase

Der folgende Text informiert über Anwendung, Wirkung und mögliche Nebenwirkungen der PEG-Asparaginase sowie darüber, welche Wechselwirkungen mit anderen Substanzen auftreten können und in welchen Fällen PEG-Asparaginase nicht oder nur eingeschränkt verabreicht werden darf.

Autor:  Julia Dobke, Redaktion:  Julia Dobke, Freigabe:  Prof. (em) Dr. med. Günter Henze, Zuletzt geändert: 09.05.2018 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e190725

Anwendung: Wie wird PEG-Asparaginase eingesetzt?

PEG-Asparaginase wird in Kombination mit weiteren gegen Krebs wirksamen Arzneimitteln bei der Behandlung von Blutkrebs (akute lymphoblastische Leukämien, ALL) und lymphoblastischen Non-Hodgkin-Lymphomen verwendet. Sie wird als Infusion in eine Vene (intravenös, i.v.) oder in den Muskel (intramuskulär, i.m.) verabreicht.

Wirkung: Wie wirkt PEG-Asparaginase?

Das Enzym Asparaginase (L-Asparaginamidohydrolase) kommt in allen Lebewesen vor. Seine Wirkung besteht darin, dass es die Aminosäure Asparagin, die für verschiedene zelluläre Prozesse wichtig ist, zu Asparaginsäure und Ammoniak abbaut. Als Arzneistoff wird die L-Asparaginase (L-ASP) aus verschiedenen Bakterien gewonnen, vor allem aus Escherichia coli.

Da manche Krebszellen nicht ausreichend eigenes Asparagin herstellen können, aber zum Überleben darauf angewiesen sind, wird den Krebszellen durch die Gabe von Asparaginase, die das Asparagin im Blut abbaut, ein wichtiger Baustein vorenthalten, und die Zellen können sich nicht mehr vermehren.

Asparaginase ist ein körperfremdes Eiweiß. Aus diesem Grund treten bei ihrer Anwendung oft Abwehrreaktionen im Sinne einer Allergie auf, so dass die Behandlung abgebrochen werden muss. Um eine solche Abwehrreaktion zu vermeiden, kann – wie es bei der PEG-Asparaginase der Fall ist – das Enzym zusätzlich pegyliert, das heißt, in Polyethylenglykol (PEG) „verpackt“ werden.

Diese kettenförmigen Moleküle umhüllen die Asparaginase nahezu vollständig und verdecken so die für die Unverträglichkeit entscheidenden Strukturen, lassen aber die für die Wirkung wichtigen Strukturen frei. Einen absolut sicheren Schutz vor Unverträglichkeitsreaktionen bietet aber auch die Pegylierung nicht. Sie schützt aber die Asparaginase auch gegen den vorzeitigen Abbau durch Antibiotika oder körpereigene Enzyme.

Nebenwirkungen: Welche Begleiterscheinungen können während oder nach der Behandlung mit PEG-Asparaginase auftreten?

Wir beschränken uns im Folgenden auf die Darstellung der sehr häufig bis häufig und gelegentlich auftretenden Nebenwirkungen. (Definition: Aufgetretene Fälle pro Anzahl der Behandelten)

Sehr häufig: mehr als 1 von 10; häufig: mehr als 1 von 100; gelegentlich: mehr als 1 von 1000; selten: mehr als 1 von 10 000; sehr selten: weniger als 1 von 10 000.

Dabei gehen wir organweise vor. Für mehr Informationen zu den selten bis sehr selten auftretenden Nebenwirkungen informieren Sie sich bitte in den Fach- und Gebrauchsinformationen des jeweiligen Herstellers.

Sehr häufige Nebenwirkungen

Magen- Darmtrakt

Etwa die Hälfte der Patienten entwickeln nach der Gabe von PEG-Asparaginase milde bis mäßige Reaktionen wie Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe, Durchfall und Gewichtsverlust. Übelkeit kann mit entsprechenden Medikamenten entgegengewirkt werden.

Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen

PEG-Asparaginase kann zu Veränderungen bestimmter Laborwerte führen: So können, meist ohne erkennbare Symptome für den Betroffenen, die Fettwerte im Blut verändert sein (zum Beispiel erniedrigte oder erhöhte Cholesterinwerte, erhöhte Triglyceridwerte). Auch der Harnstoffgehalt im Blut kann steigen.

Haut / Unterhaut

Sehr häufig kommt es nach intramuskulärer Verabreichung von PEG-Asparaginase zu Schmerzen an der Injektionsstelle.

Häufig und gelegentlich auftretende Nebenwirkungen

Blut und Lymphsystem

Häufig verursacht PEG-Asparaginase eine milde bis mäßige Knochenmarkdepression, die alle drei Blutzelllinien (weiße Blutzellen, rote Blutzellen, Blutplättchen) betrifft. Ebenfalls häufig wird die Blutgerinnung durch einen beeinträchtigten Aufbau von Eiweißen gestört. In der Folge kann es zu Blutungen, aber auch zu einer Zunahme der gefäßinternen Gerinnung mit der Bildung von Blutpfropfen (Thromben) kommen. Bilden sich innerhalb von Blutgefäßen des Gehirns Blutpfropfe, so kann dies zu einem Schlaganfall, zu Krampfanfällen, Kopfschmerzen oder Bewusstlosigkeit führen.

Magen- Darmtrakt / Stoffwechsel

Durch PEG-Asparaginase kommt es häufig zu einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis). Oft wird dadurch die Funktion der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigt. Eiweiße aus der Nahrung werden nicht mehr normal verdaut, weil die Produktion der eiweißverdauenden Enzyme gestört ist. Dadurch kann es zu Durchfall kommen.

Gestört ist aber auch die Produktion des Hormons Insulin, das für den Zuckerstoffwechsel notwendig ist. Dies kann zu einer behandlungsbedürftigen Entgleisung des Blutzuckers (Diabetes) führen. Hiervon sind häufiger Kinder ab 10 Jahren, übergewichtige Kinder oder Kinder mit einem Down-Syndrom betroffen. Häufig ist – als Zeichen der Bauchspeicheldrüsen-Entzündung – das Enzym Amylase im Blut-Serum erhöht. (Das Enzym ist am Zuckerstoffwechsel beteiligt und wird unter anderem in der Bauchspeicheldrüse gebildet.)

Leber und Galle

Laborwerte: Durch PEG-Asparaginase kommt es häufig zu einer Veränderung bestimmter Blutwerte (der so genannten Leberwerte), die auf Beeinträchtigungen der Leber- und Gallenfunktion hinweisen können. So können die alkalische Phosphatase, die Transaminasen AST und ALT, LDH und Bilirubin in erhöhter Konzentration im Blut(-Serum) vorliegen.

Infolge einer Funktionsstörung der Leber kann auch der Aufbau von Eiweißen (Eiweißsynthese) – eine Aufgabe der Leberzellen – beeinträchtigt sein, so dass es zu einem Absinken der Serum-Eiweiße kommen kann. In der Folge können sich Wassereinlagerungen (Ödeme) bilden. Darüber hinaus kann PEG-Asparaginase eine fettige Veränderung der Leber verursachen.

Das Auftreten dieser Nebenwirkungen ist unabhängig von der Höhe und Häufigkeit der PEG-Asparaginasegaben.

Nervensystem

Häufig werden Funktionsstörungen des Zentralnervensystems in Form von Erregtheit, Depression, Halluzination, Verwirrtheit und leichter Bewusstseinsstörung (Somnolenz) beobachtet. Es kann zu Veränderungen im Elektroenzephalogramm (EEG) kommen (verminderte Alphawellenaktivität, vermehrte Theta- und Deltawellenaktivität), die oft durch eine stark erhöhte Konzentration von Ammoniak im Blut verursacht wird.

Haut und Unterhaut

Häufig kommt es zu allergischen Reaktionen der Haut (Ausschlag, Juckreiz).

Immunsystem

PEG-Asparaginase führt häufig zu allergischen Reaktionen [siehe Allergie]. Diese können äußerlich beziehungsweise lokal auftreten, zum Beispiel in Form von Hautausschlag, Juckreiz, Nesselsucht oder Schwellungen; sie können aber auch den ganzen Organismus betreffen, also systemisch auftreten, und mit Fieber, Muskelschmerzen, Atembeschwerden, Verengung der Bronchien, erhöhtem Herzschlag, Blutdruckabfall bis hin zum anaphylaktischen Schock einhergehen.

Die Wahrscheinlichkeit von Überempfindlichkeitsreaktionen steigt mit der Anzahl der verabreichten Dosen, jedoch können in seltenen Fällen allergische Reaktionen bereits bei der ersten PEG-Asparaginase-Gabe vorkommen.

Bei einem Teil der Patienten können neutralisierende Antikörper gegen PEG-Asparaginase festgestellt werden, ohne dass eine allergische Reaktion beobachtet wird. Diese Antikörper können jedoch zu einer mehr oder weniger schnellen Inaktivierung und damit zu einem beschleunigten Abbau der PEG-Asparaginase führen („silent inactivation“).

Geschlechtsdrüsen / Zeugungsfähigkeit (Fertilität)

Die Behandlung mit PEG-Asparaginase kann bei Frauen und Männern erbgutschädigend wirken. Während der Behandlung mit PEG-Asparaginase dürfen daher Frauen nicht schwanger werden und Männer keine Kinder zeugen. Tritt während der Behandlung dennoch eine Schwangerschaft ein, so ist die Möglichkeit einer genetischen Beratung zu nutzen.

Schwangerschaft / Stillzeit

Da nicht sicher ist, ob PEG-Asparaginase in die Muttermilch übertritt, darf während der Behandlung nicht gestillt werden.

Wechselwirkungen: Mit welchen anderen Medikamenten / Substanzen kann PEG-Asparaginase interagieren?

  • Die durch PEG-Asparaginase hervorgerufene Verminderung von Eiweißen im Blut-Serum (siehe Abschnitt „Leber und Galle“) kann die Toxizität anderer an Eiweiß gebundener Arzneimittel erhöhen. Zusätzlich kann PEG-Asparaginase durch die Hemmung der Eiweißsynthese und Zellteilung den Wirkungsmechanismus anderer Substanzen, die die Zellteilung zur Entfaltung ihrer Wirkung benötigen (wie zum Beispiel Methotrexat), stören.
  • PEG-Asparaginase kann die Entgiftung anderer Arzneimittel durch Enzyme stören, insbesondere in der Leber.
  • Die Anwendung von PEG-Asparaginase kann zu schwankenden Gerinnungsfaktoren führen. Dies kann die Veranlagung zu Blutungen und/oder Thrombosen fördern. Vorsicht ist daher geboten bei gleichzeitiger Gabe von Gerinnungshemmern wie Cumarin, Heparin, Dipyridamol, Acetylsalicylsäure (ASS) oder nichtsteroidalen Antirheumatika.
  • Durch die gleichzeitige Gabe von PEG-Asparaginase und Glukokortikoiden (zum Beispiel Prednison oder Dexamethason) kann eine Veränderung von Gerinnungsparametern (wie Fibrinogen-Senkung und Antithrombin-III (ATIII)-Mangel) zusätzlich verstärkt werden.

Gegenanzeigen: Wann darf PEG-Asparaginase nicht angewendet werden?

PEG-Asparaginase darf nicht angewendet werden:

  • bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.
  • bei Vorliegen einer schweren Leberinsuffizienz (Bilirubin mehr als das dreifache der oberen Grenze des Normalbereichs (OGN); Transaminasen mehr als das zehnfache des OGN).
  • schwerer Thrombose bei einer früheren L-Asparaginase-Therapie in der Vorgeschichte.
  • Entzündung der Bauchspeicheldrüse in der Vorgeschichte, einschließlich in Verbindung mit einer früheren Asparaginase-Therapie.
  • schweren Blutungen bei einer früheren L-Asparaginase-Therapie in der Vorgeschichte.

Quellen: Fach- und Gebrauchsinformationen der Hersteller; Stiftung Warentest: Medikamente im Test: Krebs