Unterform der ALL (nach immunologischen und genetischen Merkmalen)

Autor:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 30.11.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e11495

Die ALL lässt sich anhand bestimmter Merkmale, die bei der Diagnose bestimmt werden, in mehrere Unterformen (Subtypen) einteilen. Fachleute sprechen auch von Klassifikation oder Klassifizierung. Im Vordergrund steht zunächst die Einteilung der ALL nach zellulärer Herkunft der Leukämiezellen. Genetische Eigenschaften der Tumorzellen, die sich ebenfalls auf die Krankheitsprognose auswirken, ermöglichen eine genauere Charakterisierung der ALL-Form und spielen daher eine zunehmende Rolle bei Therapieentscheidungen.

Immunologische Klassifizierung der ALL

Mit Hilfe der Methode der Immunphänotypisierung ist es möglich, eine Einteilung der ALL nach Herkunft der bösartigen Zellen und ihrem Reifungsstadium vorzunehmen. So genannte B-ALL-Formen gehen von Vorläuferzellen der B-Lymphozyten aus, T-ALL-Formen von Vorstufen der T-Lymphozyten. Eine Entartung auf früher Entwicklungsstufe ist durch die Vorsilbe „prä“ oder „pro“ gekennzeichnet.

Nach der so genannten EGIL-Klassifikation (EGIL steht für „European Group for the Immunological Classification of Leukemias“) lassen sich mittels Immunphänotypisierung die folgenden ALL-Unterformen (Subtypen, Immunphänotypen) unterscheiden [ESC2021] [SCH2018]:

B-ALL-Formen

  • B-I: Pro-B-ALL (auch Prä-Prä-B-ALL)
  • B-II: Common ALL
  • B-III: Prä-B-ALL
  • B-IV: reife B-ALL (auch B-AL)

T-ALL-Formen

  • T-I: Pro-T-ALL
  • T-II: Prä-T-ALL
  • T-III: kortikale (intermediäre) T-ALL
  • T-IV: reife T-ALL

Die Leukämiezellen der verschiedenen ALL-Unterarten unterscheiden sich hinsichtlich ihres Stoffwechsels und sind daher gegenüber Chemotherapie unterschiedlich empfindlich. Je nach Immunphänotyp (B-Vorläuferzell- oder T-Zell-ALL kann die Therapie daher sehr unterschiedlich ausfallen.

Anmerkung: Die reife B-ALL ähnelt in ihren Eigenschaften eher den B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) und wird daher in der Patienteninformation „Non-Hodgkin-Lymphome“ behandelt.

Einteilung der ALL nach genetischen Merkmalen

Mit Hilfe zytogenetischer und molekulargenetischer Untersuchungen lassen sich bei verschiedenen ALL-Unterformen unterschiedliche Veränderungen im Erbgut beobachten, die ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf das Rückfallrisiko und somit die Krankheitsprognose haben.

Zu den Veränderungen, die bei einer ALL vorkommen, zählt besonders häufig ein Austausch von Genabschnitten zwischen zwei Chromosomen, eine so genannte Translokation, die in der Regel mit der Entstehung eines neuen Gens (eines so genannten Fusionsgens) verbunden ist. Bei der Translokation t(9;22) beispielsweise (sie tritt bei 3-5 % der Kinder mit ALL auf) verschmilzt das BCR-Gen auf Chromosom 22 mit dem ABL-Gen auf Chromosom 9 zum BCR-ABL-Fusionsgen, auch unter dem Namen Philadelphia-Chromosom bekannt. Das veränderte Gen sorgt dafür, dass ein ebenfalls verändertes Eiweiß gebildet wird, welches wiederum die betroffene Zelle zur unkontrollierten Vermehrung veranlasst.

Chromosomen können aber auch in einer insgesamt erhöhten oder verringerten Zahl in der Zelle vorliegen. Ersteres bedeutet, dass die Zelle mehr als die üblichen 46 Chromosomen aufweist (so genannte Hyperdiploidie); im zweiten Fall befinden sich in der Zelle weniger als 46 Chromosomen (Hypodiploidie). Hyperdiploiden (mit mehr als 50 Chromosomen) treten bei etwa 25 % aller Kinder mit ALL auf, eine Hypoploidie kommt in 1 % der Fälle vor [SCH2018].

Die verschiedenen Chromosomenveränderungen sind mit unterschiedlichen Heilungsaussichten (Prognosen) verbunden:

  • Günstige Prognose: Die (mit 25-30 %) am häufigsten auftretende Translokation t(12;21), also der Austausch von Genabschnitten zwischen Chromosom 12 und 21 (= Fusionsgen TEL-AML), wirkt sich beispielsweise relativ günstig auf die Prognose aus. Das gleiche gilt für eine Chromosomenzahl von 50 und mehr [ESC2021] [LOH2002].
  • Ungünstige Prognose: Zu den ungünstigen Prognosefaktoren gehören dagegen zum Beispiel die Translokation t(9;22) mit dem dazugehörigen BCR-ABL-Fusionsgen (Philadelphia-Chromosom) oder die Translokation t(4;11) mit dem Fusionsgen MLL-AF4. Auch eine Hypodiploidie, also ein Chromosomensatz von unter 46, ist mit einer schlechteren Prognose verbunden [ESC2021] [LIO2004].

Der Nachweis der Translokationen t(4;11), t(12;21) und t(9;22) sowie einer Hypodiploidie sind für das individuelle Rückfallrisiko und somit für eine entsprechend risikoangepasste Therapiezuteilung besonders relevant.

Patienten mit prognostisch ungünstigen chromosomalen Veränderungen gelten als Hochrisiko-Patienten, da sie mit einer konventionellen Chemotherapie oftmals nicht geheilt werden können. Sie benötigen stattdessen eine intensivierte Chemotherapie oder manchmal auch eine Hochdosis-Chemotherapie und anschließende allogene Stammzelltransplantation.

Studienbezogene Anmerkung:
Im Rahmen der neuen Studie AIEOP-BFM ALL 2017 werden Patienten mit Hypodiploidie, t(4;11) oder t(9;22) einer der beiden Hochrisikogruppen (early High Risk (eHR) oder High Risk (HR) zugeordnet. Auch in der CoALL-Studie beziehungsweise gemäß den Empfehlungen des CoALL-Registers 2020 gelten das Vorliegen von, zum Beispiel, Hypodiploidie oder Translokation t(4;11) als Grund für eine Zuordnung des Patienten in den Hochrisikoarm.

Für Patienten mit Philadelphia-Chromosom gibt es eigene Therapieprotokolle gemäß Therapiestudie Es-PhALL (die inzwischen geschlossene Studie wird als Register fortgeführt).