Ursachen: Wie entsteht ein Neuroblastom?

Autor:  Maria Yiallouros, Dr. med. habil. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 23.03.2022 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e101804

Die Ursachen für die Entstehung eines Neuroblastoms sind noch weitgehend ungeklärt. Bekannt ist, dass die Krankheit durch eine bösartige Veränderung (Entartung) unreifer Zellen des sympathischen Nervensystems ausgelöst wird. Die Fehlentwicklung dieser noch nicht ausgereiften (embryonalen) Nervenzellen beginnt möglicherweise bereits vor der Geburt und kann eine Folge von Chromosomenveränderungen und/oder Genveränderungen (Mutationen) sein.

Verschiedene genetische Veränderungen wurden in Neuroblastomzellen bereits nachgewiesen, jedoch sind diese sehr heterogen, das heißt, es lässt sich keine spezifische Erbgutveränderung beobachten, die konstant in allen Tumoren auftritt. Vermutlich sind eine Reihe genetischer und auch epigenetischer Veränderungen an der Entstehung eines Neuroblastoms beteiligt. Eine Vererbung im eigentlichen Sinne liegt nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Forschung bei den meisten Patienten nicht vor [ATT2005a] [EGG2018a] [OBE2009] [ORA2011] [PEI2015] [SIM2019] [SIM2017].

Es gibt allerdings Familien, in denen Neuroblastome und verwandte Tumoren über mehrere Generationen gehäuft auftreten. Etwa 1-2 % der Patienten sind davon betroffen. Patienten mit einem erblichen Neuroblastom haben häufig mehr als nur einen Primärtumor. Das hängt damit zusammen, dass die krankheitsfördernden genetischen Veränderungen in der Keimbahn und somit in allen Körperzellen vorhanden sind. Sehr häufig (bei über 90 %) finden sich in der Keimbahn dieser Patienten bestimmte Mutationen im so genannten ALK-Gen, das für die Bildung des Proteins anaplastische Lymphomkinase zuständig ist. Die Veränderung des ALK-Gens führt zur Entstehung eines Onkogens, das die Neuroblastomentwicklung fördert [CLA2004c] [EGG2018a] [HER2002] [MAR1997] [SIM2019] [SIM2017].

Neuroblastome können darüber hinaus auch in Verbindung mit bestimmten genetischen Syndromen auftreten. Diese Syndrome werden auch Krebsprädispositionssyndrome genannt, da sie mit einer Veranlagung für die Entwicklung von Tumoren einhergehen. Beispiele sind der sogenannte Morbus Hirschsprung (kongenitales Megakolon durch Mangel an Ganglienzellen) und das Undine-Syndrom (kongenitales zentrales Hypoventilationssyndrom). Man nimmt an, dass Gene, die bei diesen Erkrankungen eine Rolle spielen, auch einen Einfluss auf die Entstehung des Neuroblastoms haben [EGG2018a].

Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten entsteht die Erkrankung jedoch durch spontane Mutationen oder andere genomische Veränderungen im Erbgut von Körperzellen (ohne dass Keimbahnmutationen vorliegen). Zu den Veränderungen zählen unter anderem Amplifikationen (wie die MYCN-Amplifikation), Translokationen sowie Verluste oder Zugewinnen von Chromosomen oder Chromosomenteilen (zum Beispiel 1p-Deletion). Ob auch äußere Einflüsse (zum Beispiel Umweltfaktoren, berufliche Belastungen der Eltern, Medikamenteneinnahme, Nikotin- oder Alkoholkonsum während der Schwangerschaft) eine Rolle spielen können, ist bislang nicht erwiesen [EGG2018a] [HER2002].