Einteilung des Neuroblastoms nach Krankheitsstadien

Autor:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 25.03.2022 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e101897

Die Ausbreitung des Tumors im Körper beeinflusst in der Regel deutlich die Heilungsaussichten und ist somit ein wichtiges Kriterium bei der Wahl der geeigneten Behandlungsstrategie. Die Einteilung des Neuroblastoms nach Krankheitsstadien berücksichtigt zunächst die Größe des Tumors, die Beteiligung von Lymphknoten sowie das Vorhandensein von Metastasen. Weitere Kriterien, die bei der Stadieneinteilung (Klassifikation) eine Rolle spielen, hängen von der verwendeten Klassifikation ab. Zwei Klassifikatonen werden derzeit zum Teil parallel verwendet: die INSS-Klassifikation und die INRG-Klassifikation.

  • INSS-Klassifikation: Nach der traditionellen, in Deutschland lange Zeit üblichen internationalen Stadieneinteilung (International Neuroblastoma Staging System, INSS) wurde – zusätzlich zu den oben genannten Faktoren – auch das Ausmaß der Operation mit einbezogen; die exakte Beurteilung des Krankheitsstadiums war daher erst nach dem operativen Eingriff möglich [BRO1993] [SIM2017] [SIM2019].
  • INRG-Klassifikation: Die INSS-Klassifikation wird zwar noch berücksichtigt, international gültig ist jedoch inzwischen die Internationale Neuroblastom-Risikoklassifizierung (englisch: International Neuroblastoma Risk Group Staging System, INRG). Die INRG-Stadieneinteilung schätzt das Krankheitsstadium bereits vor der Operation anhand festgelegter Risikofaktoren ein, die mit bildgebenden Verfahren (MRT oder CT) sichtbar werden. Ein solcher Risikofaktor (englisch: Image Defined Risk Factor, kurz IDRF) ist zum Beispiel die Ummauerung großer Gefäße durch den Tumor. Neben der voraussichtlichen Operabilität des Tumors, dem Alter des Patienten und molekularen Tumoreigenschaften fließen auch die feingewebliche Zuordnung des Neuroblastoms in die Stadieneinteilung mit ein (siehe Folgekapitel) [BRI2011] [EGG2018a] [MON2009] [SIM2017] [SIM2019].

Im Anschluss stellen wir die beiden Stadieneinteilungen parallel dar. Die INSS-Klassifikation unterscheidet die lokal begrenzten Stadien 1-3, das metastasierte Stadium 4 und das metastasierte Säuglingsneuroblastom 4S. Die INRG-Stadieneinteilung unterscheidet die lokal begrenzten Stadien L1 und L2 unter Berücksichtigung bestimmter Risikofaktoren sowie die fortgeschrittenen (metastasierten) Stadien M und MS (siehe Tabelle im Anschuss).

Krankheitsstadien beim Neuroblastom nach INSS-Klassifikation bzw. INRG-Klassifikation
Stadium nach INSS-Klassifikation
Definition
Stadium nach INRG-Klassifikation
Definition
1
Vollständig entfernter Tumor
L1
Lokalisierter Tumor ohne Nachweis von IDRF und begrenzt auf eine Körperhöhle
2a
Nicht vollständig entfernter Tumor
Befall nur auf einer Seite der Wirbelsäule
kein Lymphknotenbefall in der Umgebung des Tumors
2b
Vollständig oder unvollständig entfernter Tumor
Befall nur auf einer Seite der Wirbelsäule
benachbarte Lymphknoten auf der gleichen Körperseite sind befallen
L2
Lokalisierter Tumor mit Nachweis von einem oder mehreren IDRF
3
Nicht vollständig entfernter Tumor mit Wirbelsäulenüberschreitung oder Befall von Lymphknoten auf der dem Tumor gegenüberliegenden Körperseite
4
Vorliegen von Fernmetastasen (zum Beispiel in Knochenmark, Knochen, Leber, Haut, entfernten Lymphknoten und anderen Organen)
M
Nachweis von Fernmetastasen (außer Stadium MS)
4S
nur bei Säuglingen unter 1 Jahr bei Diagnosestellung: Lokaler Tumor (Stadium 1, 2A oder 2B) mit Metastasen begrenzt auf Haut, Leber und/oder, minimal, im Knochenmark
MS
Metastatische Erkrankung bei Kindern im Alter von unter 18 Monaten mit Metastasen begrenzt auf Haut, Leber und Knochenmark.

Mit Ausnahme der Patienten mit Stadium 4S beziehungsweise MS, haben Patienten mit weniger fortgeschrittener Erkrankung in der Regel eine bessere Prognose als Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien. Aus diesem Grund kann beispielsweise bei Patienten mit Krankhkeitsstadium 1 oder 2 (INSS) eine Operation oder gar eine Gewebeentnahme zur Heilung ausreichen, während bei Patienten mit Stadium 4 eine sehr intensive und komplexe Therapie erforderlich ist. Bei Patienten mit Stadium 3 wiederum hängen die Prognose und somit die Therapieintensität unter anderem vom Alter und von molekularen Tumoreigenschaften (MCYN-Amplifikation, 1p, 1q) ab. Genauere Informationen hierzu erhalten Sie in unserem Kapitel "Therapie".