Entnahme einer Gewebeprobe (Biopsie)

Autor:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 23.03.2022 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e221634

Prinzipiell ist die endgültige Sicherung der Diagnose nur durch eine feingewebliche (histologische) Untersuchung von Tumorgewebe möglich. Die Entnahme von Tumormaterial erfolgt bevorzugt im Rahmen der Operation (so genannte offene Biopsie des Primärtumors), damit mehrere Gewebeproben von ausreichender Größe für die nachfolgenden Untersuchungen gewonnen werden können. Die Gewebegewinnung kann möglicherweise auch durch einen minimal invasiven Eingriff (zum Beispiel eine Laparoskopie) erfolgen.

In Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn ein ausgedehnter Knochenmarkbefall (über 90 % Befall) vorliegt und gleichzeitig eine Operation aus bestimmten Gründen kontraindiziert ist, können für die Diagnosestellung unter Umständen auch die Gewebeproben aus der Knochenmarkgewinnung ausreichend sein (siehe Abschnitt „Knochenmarkuntersuchung“). Für eine eindeutige Diagnosestellung müssen in diesem Fall allerdings auch gleichzeitig die Tumormarker (Katecholamine oder deren Stoffwechselprodukte) in Blut und/oder Urin erhöht sein. Bei Kindern unter drei Monaten, die keine Symptome zeigen und gemäß bildgebender Verfahren nur einen sehr kleinen Tumor aufweisen, kann die Operation zur Gewebeentnahme unter Umständen um eine gewisse Zeit verschoben werden.

Gewebeuntersuchungen

Das gewonnene Tumormaterial wird von einem Pathologen zuächst histopathologisch (histologisch und immunhistochemisch) untersucht. Dies ermöglicht sowohl eine Abgrenzung gegenüber anderen Krebserkrankungen und, sofern ein Neuroblastom festgestellt wird, auch eine für die Therapieplanung wichtige Charakterisierung des Neuroblastom-Typs. Denn der genaue feingewebliche Aufbau des Tumorgewebes lässt Rückschlüsse auf das zu erwartende Wachstumsverhalten des Neuroblastoms zu (siehe auch Kapitel „Therapieplanung“).

Darüber hinaus erfolgen molekulargenetische Untersuchungen der Gewebeproben, denn diese erlauben Hinweise auf das Maß der Bösartigkeit des Tumors und sind für die Therapieplanung ebenfalls unverzichtbar (siehe Kapitel „Therapieplanung“). Überprüft werden die Proben insbesondere auf genetische Veränderungen (Mutationen) in den Tumorzellen, die mit einer ungünstigen Prognose für den Patienten einhergehen. Dazu zählen zum Beispiel das Vorhandensein einer so genannten MYCN-Amplifikation (dabei handelt es sich um eine erhöhte Kopienzahl des Onkogens MCYN) und einer 1p-Deletion.

Eine Analyse zusätzlicher Gendefekte in Neuroblastomzellen (zum Beispiel Veränderungen des ALK-Gens oder die so genannte Telomerase-Aktivierung) zum Zeitpunkt der Diagnosestellung wird zunehmend empfohlen, da diese Veränderungen im Falle eines Erkrankungsrückfalls teilweise auch therapeutisch genutzt werden können. Insbesondere bei Patienten mit einem hohen Rückfallrisiko (so genannten Hochrisikopatienten) ist eine umfassende molekulare Charakterisierung des Neuroblastoms für die Einschätzung der Prognose und die Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten wichtig.