Behandlung von Infektionen

Autor:  Dr. med. habil. Gesche Tallen, Maria Yiallouros, Redaktion:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 14.05.2020 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e121693

Treten bei einem Krebspatienten Zeichen einer Infektion auf (siehe Abschnitt Symptome“), ist rasches Handeln unabdingbar. Befindet sich der Patient zu diesem Zeitpunkt zu Hause, muss eine Rückkehr ins Krankenhaus erfolgen, damit die Ursache der Infektion schnellstmöglich anhand umfassender diagnostischer Maßnahmen (Erregersuche) festgestellt und eine geeignete Behandlung eingeleitet werden kann (siehe unten).

Im Mittelpunkt der Behandlung steht in aller Regel zunächst eine Behandlung mit Antibiotika, die gegen möglichst viele verschiedenen Bakterien und/oder Pilze wirksam ist (Breitspektrum-Antibiotikatherapie).

Das weitere Vorgehen, das heißt, ob die Substanz gewechselt wird oder ob weitere Substanzen – wie zusätzliche Antibiotika, Medikamente gegen Pilze und/oder Viren – verabreicht werden und wie lange die Behandlung insgesamt durchgeführt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Berücksichtigt wird vor allem:

  • ob ein Erreger gefunden wird und wenn ja, welcher, und ob die bisher verabreichten Antibiotika auch gegen diesen ausreichend wirksam sind (diese Wirksamkeit wird im Labor durch ein Antibiogramm ermittelt)
  • wie das Fieber verläuft
  • ob eventuell vorliegende andere Krankheitszeichen (Schmerzen, Rötung, Schwellung) und die Befunde der Bild gebenden Diagnostik (zum Beispiel Zeichen einer Lungenentzündung in der Röntgenübersichtsaufnahme) rückläufig sind.

Im Folgenden erhalten Sie Informationen zu den im Rahmen der Erregersuche durchgeführten diagnostischen Untersuchungen sowie zu Einzelheiten des Behandlungsvorgehens.

Maßnahmen zur Erregersuche

Maßnahmen zur Suche des Krankheitserregers beinhalten unter anderem:

Je nachdem, in welchem Organsystem die Infektion vermutet wird, kommen gegebenenfalls folgende Untersuchungen hinzu: Abstriche (zum Beispiel von Mundschleimhaut, Ohr, Broviac-Katheter-Eintrittstelle, Operationswunde), Untersuchungen der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Lumbalpunktion), bildgebende Verfahren, zum Beispiel Röntgenuntersuchung der Lunge oder Ultraschall des Bauchraums. Erst im Anschluss an diese Maßnahmen zur Erregersuche wird mit der Behandlung der Infektion begonnen.

Vorgehen bei Patienten mit Fieber und Neutropenie

Ein Kind oder Jugendlicher mit einer Krebserkrankung, Fieber und Neutropenie ist immer ein Notfall. Daher sollten Sie mit Ihrem Kind in dieser Situation sofort in die Klinik fahren und Ihr Behandlungsteam verständigen. Dieses wird dann die notwendigen Maßnahmen zur Suche des Krankheitserregers veranlassen.

In der Regel erhalten Patienten mit Fieber und Neutropenie zunächst eine Behandlung mit Antibiotika, die gegen möglichst viele verschiedenen Bakterien und/oder Pilze wirksam ist (Breitspektrum-Antibiotikatherapie). Da die Antibiotikabehandlung intravenös erfolgt, ist sie meist mit einem Aufenthalt in der Klinik verbunden.

Je nachdem, welches Ergebnis die Erregersuche ergibt, wird die Antibiotikatherapie dann entsprechend angepasst: Wird zum Beispiel eine Lungenentzündung (Pneumonie) festgestellt, kommen, abhängig von der Art des Krankheitserregers, verschiedene Antibiotika zum Einsatz. Ist der Patient an Windpocken (Infektion mit Varizella-Zoster-Virus) erkrankt, muss die zytostatische Therapie unterbrochen werden und es erfolgt eine Behandlung mit Aciclovir. Die antibiotische Therapie wird in der Regel so lange durchgeführt, bis sich die Zahl der Granulozyten wieder erholt hat [BEU2005] [GRO2005] [LAW2005b] [SCH2005] [SIM2005].

Es kommt allerdings auch vor, dass Fieber bei einer Neutropenie auftritt, und keine Infektionsquelle / kein Erreger gefunden wird. Das bedeutet aber nicht, dass dann keine möglicherweise gefährlich werdende Infektion vorliegt. Um das Risiko einer Ausbreitung von Bakterien im gesamten Organismus (Sepsis) zu vermeiden, wird in diesen Fällen ebenfalls eine Breitband-Antibiotikatherapie vorgenommen.

Vorgehen bei Patienten mit Neutropenie und lokalen Infektionszeichen ohne Fieber

Bei Patienten mit einer Neutropenie kann – insbesondere wenn sie im Rahmen der Behandlung Kortikosteroide erhalten (welche die körpereigenen Abwehrreaktionen abschwächen) – Fieber als Zeichen für eine schwelende Infektion auch ausbleiben. In diesen Fällen muss gegenüber Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, einer Rötung oder einer Schwellung besonders aufmerksam reagiert werden, denn diesen kann zum Beispiel eine tiefe Weichteil- oder Shuntinfektion zugrunde liegen. In der Klinik wird unverzüglich eine Suche nach dem Krankheitserreger veranlasst (siehe oben) und zunächst so schnell wie möglich eine Breitspektrum-Antibiotikabehandlung eingeleitet.

Vorgehen bei Patienten mit Fieber ohne Neutropenie

Auch wenn bei Ihrem Kind während der Krebstherapie Fieber ohne gleichzeitige Neutropenie auftritt, sollten Sie auf jeden Fall Ihr Behandlungsteam benachrichtigen und Rat einholen. Es könnte zum Beispiel eine Broviac-Katheter-Infektion vorliegen. In der Regel wird dann empfohlen, in die Klinik zu kommen, damit gegebenenfalls weitere Maßnahmen eingeleitet werden können.

Wenn lokale Infektionszeichen (wie Rötung, Schwellung) vorliegen, wird der Patient – nach der Entnahme von Material (Blut, Liquor, Wundabstrich) für eine gezielte Erregersuche (siehe oben) – in der Regel zunächst ganz gezielt gegen bestimmte, möglicherweise als Krankheitserreger in Frage kommende Bakterien oder Pilze behandelt. Das entsprechende Antibiotikum kann in manchen Fällen in Tablettenform verabreicht werden, so dass der Patient nicht in der Klinik bleiben muss.

Die Dauer dieser Antibiotikatherapie hängt unter anderem von den Ergebnissen der Erregersuche ab, die oftmals erst ein oder zwei Tage nach der Materialgewinnung verfügbar sind. Manchmal muss dann das Antibiotikum gewechselt oder sogar durch weitere Substanzen ergänzt werden, manchmal (zum Beispiel bei fehlendem Keimnachweis) und gutem Zustand des Patienten kann die Behandlung auch beendet werden.

Vorgehen bei Patienten mit einer Shunt- oder (Rickham-)Reservoir-Infektion

Die Behandlung eines Patienten mit einer durch den ventrikulo-peritonealen Shunt [ventrikulo-peritonealer Shunt] oder das Rickham-Reservoir verursachten Infektion erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Neurochirurgen. Dieser entscheidet unter anderem anhand des Zustands des Patienten oder der Ergebnisse der Erregersuche, welche Maßnahmen neben der unverzüglich eingeleiteten Breitspektrum-Antibiotikatherapie eingeleitet werden.

In der Regel ist es notwendig, den gesamten Shunt während der Zeit der Antibiotikabehandlung zu entfernen und durch eine externe Ventrikeldrainage (siehe oben) zu ersetzen, über die auch Antibiotika verabreicht werden können. Auch eine Entzündung im Bereich des Rickham-Reservoirs macht in der Regel seine vorübergehende Entfernung erforderlich, bis die Infektion erfolgreich behandelt ist.

Das Risiko einer Shunt- oder Rickham-Infektion besteht darin, dass sich die Keime über die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) ausbreiten können und dadurch eine Hirnhautentzündung (Meningitis) oder einer Entzündung des Hirngewebes (Enzephalitis) verursachen können. Die Entfernung des Shunts oder des Rickham-Reservoirs ist für den erfahrenen Neurochirurgen ein kleiner, kurzer Routineeingriff, der in Vollnarkose durchgeführt wird.

Vorgehen bei Patienten mit einer Broviac-Katheter-Infektion

Bei Patienten mit einer Katheterinfektion erfolgt in der Regel ebenfalls zunächst eine Antibiotikatherapie (mit einem Staphylokokken-wirksamen Antibiotikum wie Vancomycin).

Lässt sich die Infektion nicht mit Medikamenten beheben oder liegen Infektionen mit Bakterien oder Pilzen vor, die auf die Medikamente generell schlecht ansprechen, so wird, abhängig vom Zustand des Patienten sowie vom Erscheinungsbild der Kathetereintrittsstelle und den Ergebnissen der Erregersuche (Blutkultur) entschieden, ob der Katheter (Broviac-Katheter) vorübergehend entfernt werden muss. Diese Maßnahme dauert nicht lange, findet meist im Behandlungsraum auf der Station statt und ist nicht schmerzhaft.