Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)

Autor:  Dr. med. Gesche Riabowol (nee Tallen), Redaktion:  Maria Yiallouros, Freigabe:  Prof. Dr. med. U. Creutzig, Zuletzt geändert: 12.03.2024 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e172379

Der Begriff "spezialisierte ambulante Palliativversorgung" (kurz: SAPV) - im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin auch "spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung (SAPPV) - beschreibt eine umfassende, aktive Versorgung und Unterstützung von Patienten und ihren Familien auf körperlicher, seelischer, sozialer und geistiger Ebene. Ziel der SAPV ist eine optimale Lebensqualität des Patienten und seiner Angehörigen in ihrer häuslichen Umgebung.

Wer hat Anspruch auf SAPV

Rechtmäßiger Anspruch eines gesetzlich Krankenversicherten auf SAPV besteht, wenn er an einer nicht heilbaren, fortschreitenden oder weit fortgeschrittenen Erkrankung leidet und gleichzeitig eine begrenzte Lebenserwartung hat.

Wann kann SAPV in Anspruch genommen werden?

Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) kann hasenweise und am Lebensende auch durchgängig in Anspruch genommen werden, wenn die Versorgungsmöglichkeiten durch die Angehörigen zuhause ausgeschöpft sind.

Wie wird die SAPV eingeleitet?

Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) wird durch den zuständigen niedergelassenen Kinderarzt verordnet. Nach einem gemeinsamen Hausbesuch von spezialisiertem Kinderarzt und Palliativteam wird die SAPV eingeleitet (siehe Abschnitt "Grundversorgung durch den Kinder- und Jugendarzt"). Die Erstellung eines Versorgungsplans erfolgt in Absprache mit den Eltern (Erziehungsberechtigten) und dem Patienten, soweit letzteres im Hinblick auf dessen Alter und Gesundheitszustand möglich ist.

Welche Berufsgruppen/Einrichtungen sind an der SAPV beteiligt?

An der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) sind - je nach den individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen des Patienten und seiner Familie sowie in Abhängigkeit von der jeweiligen Krankheitssituation/-phase - verschiedene Berufsgruppen/Einrichtungen in unterschiedlichem Maße beteiligt (siehe Kapitel "Bedürfnisse und Unterstützung"). Dazu gehören:

  • der Kinder- und Jugendarzt
  • ambulante Kinderkrankenpflegedienste (KKPD)
  • klinikgestützte, multiprofessionelle "Brückenteams"
  • ambulante Kinderhospizdienste
  • "Bunte Kreise"
  • sozialpädiatrische Zentren (SPZ)

Die verschiedenen, in die Palliativversorgung involvierten Berufsgruppen beziehungsweise Einrichtungen werden im Folgenden vorgestellt.

Grundversorgung durch den Kinder- und Jugendarzt

In enger Zusammenarbeit mit dem Behandlungsteam der Klinik und dem spezialisierten Kinderpalliativteam (s.u.) ist der Kinderarzt in der Regel der erste Ansprechpartner für die ganze Familie und insbesondere zuständig für:

  • die Verordnung und Veranlassung der Palliativversorgung
  • regelmäßige Hausbesuche
  • familienunterstützende Versorgung
  • Steuerung und Verordnung von medikamentösen Behandlungen
  • Sicherstellung der ärztlichen Erreichbarkeit (tagsüber und nachts)
  • Betreuung von Eltern und Geschwistern auch nach dem Tod des Patienten (zum Beispiel frühzeitiges Erkennen von möglicherweise behandlungsbedürftigen, psychischen Auffälligkeiten in der Trauerphase).

Versorgung durch Kinderkrankenpflegedienste (KKPD)

Die ambulanten Kinderpflegekrankendienste (KKPD) helfen seit Jahren bei der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen. Die Verordnung von ambulanter Kinderkrankenpflege erfolgt durch den Kinderarzt. Sie wird, je nach Pflegestufe, über die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung finanziert [Paragraph 37 des SGB V]. Die Patienten erhalten demnach:

  • häusliche Krankenpflege durch ausgebildete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn eine Krankenhausbehandlung durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt werden kann
  • eine individuell angepasste Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung

Der Anspruch auf ambulante KKPD besteht für einen Zeitraum von bis zu vier Wochen, je nach der individuellen Situation. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege auch länger bewilligen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Versorgung durch ein multiprofessionelles, spezialisiertes Team (Kinder-Palliativteam, "Brückenteam")

Zu einem spezialisierten Kinder-Palliativteam gehört in der Regel ein in der Palliativmedizin spezialisierter Kinderarzt, ein ambulanter Kinderkrankenpflegedienst und Mitarbeiter aus dem psychosozialen Bereich. Das Team hilft in speziellen palliativmedizinischen Bedarfssituationen beispielsweise in der Klinik, in einem Hospiz oder in einer anderen Einrichtung der Kurzzeitpflege. Ebenso leistet das Team Unterstützung beim Übergang von der klinischen zur Versorgung zuhause (siehe: Wo können Kinder und Jugendlichen mit Krebserkrankungen in Deutschland palliativ versorgt werden?).

Solche Bedarfssituationen beziehungsweise Aufgaben des Kinder-Palliativteams sind zum Beispiel:

In der Kinderklinik

Zu den Aufgaben des Kinder-Palliativteams in der Kinderklinik gehören zum Beispiel:

  • die Beratung des Klinikteams zu speziellen Fragen bei Kindern und Jugendlichen in der Lebensendphase
  • die Beratung der zuständigen Ärzte bei Fragen zum Umgang mit speziellen Beschwerden (siehe Kapitel „Beschwerden und Therapie“)
  • Hilfestellung bei der Kommunikation innerhalb des Versorgungsteams sowie zwischen Versorgungsteam und Familie (zum Beispiel bei Therapieänderungen)
  • Festlegung des Pflegebedarfs und Beratung des Pflegeteams
  • Planung und Koordination von ärztlicher, pflegerischer, psychosozialer und seelsorgerlicher Versorgung und dadurch Knüpfen eines Versorgungsnetzwerks für die Familien

Außerhalb der Klinik

Zu den Aufgaben des Kinder-Palliativteams außerhalb der Kinderklinik zählen:

  • die Sicherstellung der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit eines Ansprechpartners für die Familien vor Ort (zum Beispiel Kinderarzt, ambulanter Kinderkrankenpflegedienst) für Notfall-, Feiertags- und Urlaubssituationen
  • Aufbau von Betreuungsgruppen für Eltern und Geschwister

Die Finanzierung der Brückenteams ist in § 37b des Sozialgesetzbuches, Kapitel V (SGB V) über Spezialisierte ambulante Palliativversorgung geregelt.

Versorgung durch ambulante Kinderhospizdienste

Die Kinderhospizarbeit des Deutschen Kinderhospizvereins e. V. strebt eine ganzheitliche Begleitung von Patient und Familie durch praktische und emotionale Unterstützung im Alltag an. Außerdem bietet sie Hilfestellungen bei Kontakten von Betroffenen untereinander an oder veranstaltet regelmäßig Seminare, zum Beispiel zu sozialrechtlichen Fragen oder zum Thema Trauer.

Ambulante Kinderhospizdienste werden in der Regel durch hauptamtliche Koordinatoren geleitet. Diese müssen über eine gesetzlich vorgeschriebene Qualifikation verfügen, damit der ambulante Hospizdienst auf eine finanzielle Unterstützung seitens der Krankenkassen zurückgreifen kann [§ 39a SGB V).

"Bunte Kreise"

Vor knapp 25 Jahren haben sich Mitarbeiter der Kinderklinik Augsburg, der dortigen Klinikseelsorge, ehemalige Betroffene und Vertreter bereits aktiver Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen zusammengeschlossen und den "Bunten Kreis" gegründet. Mittlerweile existieren in Deutschland etwa 70 „Bunte Kreise“. Ziel dieser Initiativen ist es dabei zu helfen, den Übergang von der Krankenhausbehandlung in die ambulante Versorgung so fließend wie möglich zu gestalten. Dazu wird jeweils ein individuelles Betreuungsnetzwerk für die ganze Familie (sogenanntes "Case Management") aufgebaut. Es geht hierbei allerdings ausschließlich um Begleitung, Unterstützung und Vernetzung, nicht um die Steuerung oder Durchführung von Behandlungen. Das Versorgungsangebot der "Bunten Kreise" wird von den Krankenkassen finanziert. Für die betroffenen Familien entstehen keine zusätzlichen Kosten.

Sozialpädiatrische Zentren (SPZ)

Die Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) in Deutschland sind spezialisierte Einrichtungen der ambulanten Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Für Betreuungen, Untersuchungen und Behandlungen in einem SPZ sind jeweils Überweisungen von Seiten des Kinder- und Jugendarztes erforderlich.

Das charakteristische Vorgehen in einem SPZ ist fachübergreifend (interdisziplinär). Das heißt, dass sowohl medizinische als auch psychosoziale und schulische Angelegenheiten des Patienten sowie die gesamte Familie miteinbezogen werden. Dies geschieht typischerweise in enger Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten und Therapeuten, den Fördereinrichtungen und den Krankenkassen. Insgesamt gibt es inzwischen mehr als 160 SPZ in Deutschland. Die inhaltlichen Schwerpunkte und Erfahrungsschätze der einzelnen Zentren variieren allerdings stark. Weitere Informationen zu den Sozialpädiatrischen Zentren finden Sie auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V..