Behandlung von Patienten mit Hepatoblastom gemäß PHITT-Studie

Autor:  Maria Yiallouros, Freigabe:  Prof. Dr. med. Irene Schmid, Zuletzt geändert: 25.01.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e260093

Hepatoblastom-Patienten, die an der derzeit laufenden internationalen Therapieoptimierungsstudie PHITT teilnehmen, werden – abhängig von ihrer jeweiligen Krankheitssituation und dem damit verbundenen Rückfallrisiko – in einer von insgesamt vier Therapie- beziehungsweise Risikogruppen behandelt.

Unterschieden werden dabei:

  • Hepatoblastome mit sehr niedrigem Risiko (very low risk HB)
  • Hepatoblastome mit niedrigem Risiko (low risk HB)
  • Hepatoblastome mit mittlerem Risiko (intermediate risk HB)
  • Hepatoblastome mit hohem Risiko (high risk HB)

Die Risikogruppen-Einteilung erfolgt nach dem so genannten CHIC-System der CHIC-Gruppe (Childhood Hepatic tumour International Consortium), einem Konsortium für Lebertumoren, dem weltweit alle großen Studiengruppen (unter anderem die GPOH) angehören. Dieses komplexe Stratifizierungssystem berücksichtigt die Ausdehnung des Tumors in der Leber (PRETEXT-Stadium I-IV), das Vorliegen von Fernmetastasen, ergänzende anatomische Risikofaktoren (V+, P+, E+, F+, R+ oder N) sowie, stadienabhängig, auch den Alpha-1-Fetoprotein-Spiegel im Blut und das Alter des Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose (siehe hierzu auch Kapitel „Therapieplanung“). Je weniger ausgedehnt der Tumor ist, umso günstiger sind in der Regel die Heilungsaussichten und umso weniger intensiv die Behandlung. Ein niedriger AFP-Wert im Blut (bis ng/ml) gilt als prognostisch ungünstig, ebenso ein Patientenalter ab 8 Jahren, beim PRETEXT-Stadium IV bereits ab 3 Jahren.

Bei Patienten mit „very low risk“-Hepatoblastom wird zudem auf die feingewebliche (histologische) Art des Tumors geachtet: Hepatoblastome aus gut ausgereiften (differenzierten) fetalen Tumorzellen (englisch: well-differentiated fetal“; kurz WDF) haben eine bessere Prognose als Hepatoblastome anderer feingeweblicher Art; dem wird bei der Behandlung Rechnung getragen (siehe Folgekapitel).

Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die wichtigsten Kriterien der Risikogruppen-Einteilung.

Hepatoblastom-Risikogruppen nach CHIC
HB-Risikogruppe
Hauptkriterien
Sehr niedriges Risiko (very low risk)
PRETEXT I-II, keine Fernmetastasen oder sonstigen anatomischen Risikofaktoren, Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose operabel; bei PRETEXT II zusätzlich Alter unter 8 Jahre, AFP über 100 ng/ml
Niedriges Risiko (low risk)
PRETEXT I-III, keine Fernmetastasen oder sonstigen anatomischen Risikofaktoren, AFP über100 ng/ml, Alter unter 8 Jahre, Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose (noch) nicht operabel
Mittleres Risiko (intermediate risk)
PRETEXT I-III, keine Fernmetastasen, aber Vorliegen anatomischer Risikofaktoren (P+, V+, E+, F+, R+, oder N+), bei PRETEXT II zusätzlich Alter unter 8 Jahre und AFP über 100ng/ml, bei PRETEXT III zusätzlich Alter unter 8 Jahre und AFP über 1000 ng/ml oder
PRETEXT IV, ohne Fernmetastasen, mit oder ohne anatomische Risikofaktoren, , Alter unter 3 Jahre und AFP über 100 ng/ml
Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose nicht operabel
Hohes Risiko (high risk)
PRETEXT I-IV mit Fernmetastasen oder
PRETEXT I ohne Fernmetastasen, aber mit zusätzlichen anatomischen Risikofaktoren (P+, V+, E+, F+, R+, oder N+) und Alter ab 8 Jahren oder
PRETEXT II und III ohne Fernmetastasen, aber Alter ab 8 Jahren oder AFP-Wert bis 100 ng/ml, oder
PRETEXT IV ohne Fernmetastasen, aber Alter ab 3 Jahren oder AFP-Wert bis 100 ng/ml

Anmerkung zu den verwendeten Abkürzungen: P: Thrombose in Pfortader oder deren Ummauerung durch Tumor; V: Thrombose in Lebervenen oder unterer Hohlvene oder Ummauerung derselben durch Tumor; E: Ausdehnung außerhalb der Leber; F: multifokale Tumorausdehnung; R: Tumorruptur; N: Befall von Lymphknoten; AFP: Alpha-1-Fetoprotein (Tumormarker)

Behandlungsabläufe in den verschiedenen Therapiegruppen

Die internationale pädiatrische Lebertumor-Studie PHITT (Paediatric Hepatic International Tumour Trial) sieht innerhalb der vier Therapiegruppen für Patienten mit Hepatoblastom die folgenden Behandlungsoptionen vor, die wir Ihnen an dieser Stelle kurz vorstellen. Ihr Behandlungsteam wird Sie über die für Ihr Kind in Frage kommende Therapiegruppe sowie entsprechende Therapiemöglichkeiten und -abläufe informieren.

Therapiegruppe A: Hepatoblastom mit sehr niedrigem Risiko („very low risk“-HB)

Dieser Therapiegruppe werden Kinder und Jugendliche zugeordnet, deren Tumor aufgrund seiner geringen Ausdehnung und dem Fehlen sonstiger Risikofaktoren bei Diagnose schon vollständig operabel ist und die damit nur ein sehr geringes Rückfallrisiko haben.

Der erste Schritt der Behandlung besteht aus einer Operation zur Entfernung des Tumors. Im Anschluss wird – anhand der feingeweblichen (histologischen) Analyse des Tumorgewebes – entschieden, ob eine alleinige Operation ausreicht oder noch eine Chemotherapie erfolgen muss: Liegt ein Hepatoblastom aus gut ausdifferenzierten fetalen Tumorzellen vor (WDF-Typ), ist die Behandlung mit der Operation beendet. Bei Patienten mit einem anderen Hepatoblastom-Typ (keine WDF-Histologie) erfolgt nach der chirurgischen Tumorentfernung eine Chemotherapie aus zwei Zyklen Cisplatin.

Therapiegruppe B: Hepatoblastom mit niedrigem Risiko („low risk“-HB)

In dieser Therapiegruppe werden Kinder und Jugendliche behandelt, deren Tumor aufgrund seiner Größe beziehungsweise Ausdehnung zum Zeitpunkt der Diagnose nicht operabel ist, bei denen aber keine weiteren Risikofaktoren vorliegen.

Patienten dieser Gruppe erhalten zunächst alle eine präoperative Chemotherapie aus zwei Zyklen Cisplatin. Wenn möglich, erfolgt im Anschluss eine chirurgische Tumorentfernung, gefolgt von einer postoperativen Chemotherapie aus vier oder zwei Zyklen Cisplatin (siehe Anmerkung zur PHITT-Studie unten). Patienten, die nach dem zweiten Cisplatin-Block noch nicht operiert werden können, erhalten zwei weitere Blöcke Cisplatin vor der Operation und zwei Cisplatin-Blöcke nach der Operation.

Anmerkung: Im Rahmen der Studie wird geprüft, ob bei Patienten, deren Tumor nach den ersten beiden Chemotherapiezyklen operabel ist, die postoperative Standardbehandlung aus vier Cisplatin-Blöcken auf zwei Cisplatin-Blöcke reduziert werden kann, ohne dass der Therapieerfolg beeinträchtigt wird. Zu diesem Zweck werden die Patienten im Anschluss an die Operation nach dem Zufallsverfahren einem von zwei Behandlungsarmen (Standardarm oder Prüfarm) zugeordnet. Dieser Vorgang wird als Randomisierung bezeichnet.

Therapiegruppe C: Hepatoblastom mit mittlerem Risiko („intermediate risk“-HB)

Dieser Therapiegruppe werden alle Kinder und Jugendlichen mit lokal fortgeschrittenem Hepatoblastom zugeordnet. Dazu zählen PRETEXT I-III Hepatoblastome mit zusätzlichen Risikofaktoren sowie einige PRETEXT IV-Hepatoblastome.

Die Behandlung besteht aus einer prä- und postoperativen Chemotherapie (siehe dazu ergänzende Anmerkung unten) und der Operation / Transplantation. Für die Planung des chirurgischen Eingriffs und/oder der Transplantation erfolgt bereits frühzeitig eine Überweisung an ein Transplantationszentrum. Der Operationszeitpunkt wird individuell festgelegt, erfolgt aber während der Chemotherapie, spätestens vor Beginn der letzten zwei Chemotherapiezyklen.

Anmerkung: In der PHITT-Studie werden drei erfolgversprechende Chemotherapie-Optionen miteinander verglichen. Zu diesem Zweck erfolgt vor Beginn der Behandlung eine zufallsbasierte (randomisierte) Zuordnung der Patienten zu einem von drei möglichen Therapiearmen, in denen verschiedene Chemotherapeutika zum Einsatz kommen. Das Ziel ist festzustellen, welche der drei Optionen (eine Kombination aus Cisplatin, Doxorubicin, Carboplatin oder eine Kombination aus Cisplatin, Doxorubicin, Vincristin, 5-Fluorouracil oder eine Cisplatin-Monotherapie) zu den besten Therapieergebnissen führt.

Therapiegruppe D: Hepatoblastom mit hohem Risiko („high risk“-HB)

Das Vorliegen von Fernmetastasen (in der Regel Lungenmetastasen) zum Zeitpunkt der Diagnose bedingt prinzipiell eine Behandlung in der Hochrisiko-Gruppe – unabhängig von der lokalen Ausdehnung des Tumors in der Leber (PRETEXT-Stadium). Abgesehen davon sind – abhängig vom PRETEXT-Stadium – weitere Faktoren (wie anatomische Risikofaktoren, Alter des Patienten, AFP-Wert) ausschlaggebend für eine Behandlungsnotwendigkeit in der Hochrisikogruppe, auch dann, wenn keine Fernmetastasen vorliegen.

Alle Patienten dieser Therapiegruppe erhalten zunächst eine Standard-Induktionstherapie aus drei Blöcken kombinierter Chemotherapie (mit Cisplatin und Doxorubicin). Anschließend wird der Lebertumor vollständig operativ entfernt. Bilden sich die (Lungen-)Metastasen durch die Induktionstherapie zurück (Remission), erfolgt nach der Operation eine Konsolidierung aus drei Blöcken einer kombinierten Carboplatin-/Doxorubicin-Chemotherapie. Sind hingegen nach Induktionstherapie und eventueller Operation nach wie vor Metastasen vorhanden, so erhalten die Patienten weitere sechs Blöcke einer intensivierten Konsolidierungs-Chemotherapie mit unterschiedlichen Medikamenten (siehe Anmerkung zur Studie unten). Die Lungenmetastasen müssen spätestens vor dem letzten Chemotherapieblock operativ entfernt werden.

Der chirurgische Lebereingriff kann eine Lebertransplantation beinhalten. In aller Regel erfolgt daher für die Planung der Operation und/oder Transplantation bereits frühzeitig eine Überweisung an ein Transplantationszentrum. Falls eine Lebertransplantation notwendig ist, muss vor diesem Eingriff erst die Lunge saniert werden, entweder durch Chemotherapie oder durch eine Operation.

Anmerkung zur Studie: Im Rahmen der PHITT-Studie werden zwei Möglichkeiten der intensivierten Konsolidierungstherapie miteinander verglichen: In einem Therapiearm werden abwechselnd Carboplatin / Doxorubicin und Carboplatin / Etoposid verabreicht; im anderen Therapiearm kommen Carboplatin und Doxorubicin alternierend mit Vincristin und Irinotecan zur Anwendung.